Maria – unser Vorbild im Advent
Salzburg,
13.12.1981 und Loreto 13.12.1986
Wenn wir die Aufgaben und Pflichten, die auf uns Christen
lasten gegenŸber dem dreifachen Kommen des Herrn im Fleische, im Geiste und in
Herrlichkeit erkennen wollen und nicht blo§ den Advent des Kirchenjahres ,
sondern vor allem den Advent unseres ganzen Erdenlebens richtig – nach
dem leuchtenden Vorbild Mariens durchleben wollen, und zwar als ein immer
neues, entschlossenes Entgegengehen dem Herren, der da kommen will, so mŸssen wir
zu allererst auf Maria schauen und uns fragen, wie sie i h r e n Advent verbracht hat, den
Všlkeradvent der Sehnsucht nach dem verhei§enen Messias und Heiland der Welt,
den Advent ihres mŸtterlichen neunmonatigen Wartens auf die Geburt des geheimnisvoll
empfangenen Kindes, das sie unter dem Herzen trug und schlie§lich den Advent
ihres glŠubigen Schreitens dem Herrn entgegen in der Stunde des Scheidens aus
dieser Welt.
So mšchte ich diese Predigt heute an diesem Fatimatag im
Advent 1981/1986 einmal ganz dem adventlichen Vorbild Mariens in ihrem Leben
von ihrer EmpfŠngnis und Geburt bis hin zur weihnachtlichen Stunde der Geburt
Jesu Christi widmen.
(Wenn ich dabei darangehe, das Leben Mariens kurz zu
schildern, so wollen wir uns von allem Anfang an dessen bewusst sein, dass
Maria durch ihre ewige ErwŠhlung zur GottesmutterwŸrde in unbeschreiblicher
Weise geadelt worden ist und dass in Maria der Sohn Gottes im Geheimnis seiner
Menschwerdung aus Maria der Jungfrau das ganze Menschengeschlecht, vor allem aber
das Frauengeschlecht insgesamt zu hšchster Ehre erhoben hat. Was Eva, die erste
Frau und Mutter, im SŸndenfall verschuldet hatte, das wurde durch Maria nicht
nur ausgeglichen und wettgemacht, sondern wirklich in eine ãfelix culpaÒ, in
eine glŸckhafte Schuld umgewandelt. Schon die allerersten KirchenvŠter, von dem
hl. MŠrtyrer Justinus und dem hl. Bischof IrenŠus angefangen, haben mit einer
ganz auffallenden Vorliebe die Parallele aufgestellt zwischen Eva und Maria als
ErgŠnzung zur biblischen Parallele zwischen dem ersten Adam und dem zweiten
Adam Christus. Maria brachte die gro§e Wende; ãEvas Namen wendendÒ hei§t es von
Maria im schšnen Marienhymnus ãAve maris stellaÒ (ãSei gegrŸ§t, o
Meeresstern...Ò). Aus dem Namen Eva wurde das Ave, mit dem der Engel im Auftrag
Gottes selber eine aus dem Menschengeschlecht, aus dem Frauengeschlecht begr٤en
lie§: Ave, gratia plena, Dominus tecum!
In Maria vollzog sich die gro§e Wende, nicht blo§
Zeitenwende, sondern Wende im Sinn von Ent-scheidung und Scheidung. In ihr
vollzog sich etwas Einzigartiges und Wunderbares: Zu keinem Mann hat die zweite
gšttliche Person, der wesensgleiche Sohn Gottes Vater gesagt, denn Gott selbst
und ganz allein ist ja Vater Jesu Christi. Aber zu einer Frau, zu einer
Jungfrau hat der Sohn Gottes Mutter gesagt, und zwar im Vollsinn dieses trauten
Wortes.)
Die Stammmutter des Menschengeschlechtes, Eva, ist durch
Gottes Allmacht im Paradies aus der Seite des ersten Adam geschaffen worden,
erzŠhlt uns das 1. Buch der Hl. Schrift des AT, die Genesis. Christus, der
zweite Adam, der Stammvater des neuen, erlšsten Menschengeschlechtes, ist durch
die Kraft des Hl. Geistes im unverletzten Scho§ der jungfrŠulichen zweiten Eva
gebildet worden und aus ihr hervorgegangen.
Maria ist in Wahrheit und in voller Wirklichkeit – wie
es im Jahr 431 das Konzil von Ephesus feierlich definiert hat – Thetokos,
GottesgebŠrerin, Gottesmutter. Und alle Verehrung, alle Ehrenbezeigungen, die
wir Maria schulden, grŸnden in dieser einzigartigen Tatsache, dass Maria von
Ewigkeit her dazu auserwŠhlt worden ist, Mutter des Sohnes Gottes, Mutter
Gottes zu werden.
Es gibt daneben gewiss verschiedene andere
Gnadenprivilegien, durch die Maria aus dem Ÿbrigen Menschengeschlecht
herausragt: Wir brauchen nur den Anfang und das Ende ihres Erdenlebens betrachten:
Ihr Anfang war ohne Makel: Immaculata conceptio. Nur ihre Seele blieb vom
ersten Augenblick ihrer Existenz an von der alten Erbschuld aller Adamskinder
frei. Aber auch dieses einzigartige Privileg verdankt Maria einzig und allein der
Tatsache, dass sie dazu von Ewigkeit her erwŠhlt worden war, Mutter des Sohnes
Gottes, des kŸnftigen Erlšsers des Menschengeschlechtes zu werden. Und das Ende
ihres Erdenlebens: die leibliche Aufnahme Mariens in die himmlische
Herrlichkeit. Gewiss, auch dadurch ragt Maria aus dem Ÿbrigen
Menschengeschlecht heraus, aber auch dieses letzte Gnadenprivileg Mariens ist
einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass ihr jungfrŠulicher,
unentweihter Leib neun Monate lang den menschgewordenen Sohn Gottes in sich
getragen hat.
Solche WŸrde, GottesgebŠrerin, Gottesmutter zu sein, hat
sich Maria niemals verdienen kšnnen. Wenn Gott sie dennoch dazu berief, so
weist dies nur auf die všllig freie Gnadenwahl hin, die Gott hier getroffen
hat, und auf die Huld und das Wohlgefallen, das auf Maria und durch sie auf dem
ganzen Frauengeschlecht lag.
Der gro§e deutsche Mystiker, der heilige Dominikanermšnch
Heinrich Seuse traf einmal auf einem schmalen Steg mit einer armen, alten Frau zusammen. Der Steg bot fŸr zwei
Menschen zugleich nicht genug Raum. Da trat der hl. Heinrich Seuse zurŸck und
watete neben dem Steg durch den Bach. Verwundert frage die arme, alte Frau,
warum er, der gelehrte Mann und Priester, ihr so hohe Ehre erweise. Da gab der
Heilige zur Antwort: Ich sehe in jeder Frau die Mutter Gottes!Ò Was wŠre das
doch eine bedeutsame Mahnung fŸr uns MŠnner, aber auch Mahnung fŸr die Frauen,
sich immer ihrer erhabenen WŸrde bewusst zu sein in einer Zeit, wo die
frauenwŸrde oft in gemeinster Weise in den Schmutz getreten wird!
Wenn wir nun den Advent im Leben Mariens von dessen AnfŠngen
an Ÿberdenken wollen, mŸssen wir zuerst die enttŠuschende Feststellung machen,
dass uns die Hl. Schrift Ÿber die Herkunft und die Kindheit Mariens gar nichts
sagt. Nur die Legende, der freilich ein historischer Wahrheitskern zugrunde liegt,
versucht darŸber Aufschluss zu geben.
So kennt die legendŠre †berlieferung in einem apokryphen Evangelium
die Namen der Eltern Mariens. Es wei§ sogar zu berichten, wie diese Eltern
namens Joachim und Anna schon 20 Jahre lang in edler, keuscher ehe
zusammengelebt hatten, aber immer noch kinderlos waren: Und alle in der
Verwandtschaft und Bekanntschaft wiesen mit dem Finger auf dieses kinderlose
Ehepaar. Warum wohl? Man sah damals – gerade mit dem Blick auf den
verhei§enen, einmal kommenden Messias, den man wenigstens in seinen Kindern
oder Kindeskindern zu erleben hoffte, eine gro§e Schande. Unfruchtbarkeit und
Kinderlosigkeit in der Ehe galten weithin als Strafe Gottes. Eine selbst von
den Eheleuten bewusst herbeigefŸhrte Kinderlosigkeit war damals bei glŠubigen
israelitischen Eheleuten einfach undenkbar.
Wie mšgen Joachim und Anna instŠndig und beharrlich gebetet
und gehofft haben, von Jahr zu Jahr, dass Gott doch noch den ehelichen Bund
ihrer gegenseitigen Liebe mit Fruchtbarkeit segnen wŸrde.
Nun waren beide wohl schon in ihrem Alter zu weit
fortgeschritten: Joachim kam mehr und mehr zur †berzeugung, nicht mehr Vater zu
werden, Anna dachte ebenfalls, sie werde wohl nicht mehr Mutter werden. So
musste denn ihre tiefste Sehnsucht, ihr ganz persšnliches Adventhoffen in einem
Kind oder Enkelkind noch den verhei§enen Messias zu schauen, begraben werden.
Doch gro§ sind die Erbarmungen des Herrn; seine Gedanken und
PlŠne sind anders als die der Menschen. Gott gewŠhrt dem DemŸtigen Erhšrung und
ruft und beruft auch dort, wo nach menschlichem Ermessen alles unmšglich dŸnkt.
Gott schenkt dem Menschen, der unerschŸtterlich auf seine Allmacht und Liebe
vertraut, auch dann och Erhšrung! Was bedeutet denn auch schon ein Wunder fŸr
den, dem in seiner Allmacht alles mšglich ist, auch gegen die Natur und ihre
Gesetzte!
So wurde Anna noch Mutter und empfing noch ein Kind, das
Gott von Ewigkeit her auserwŠhlt hatte fŸr hšchste und ehrenvollste Berufung.
Maria, dieses Menschenkind, das nach 20 Jahren ehelicher Unfruchtbarkeit der
Eltern empfangen wurde, blieb vom ersten Augenblick seiner Existenz an frei von
der Erbschuld und war geschmŸckt mit dem Adel der Gotteskindschaft in der
heiligmachenden Gnade. Bei dieser EmpfŠngnis sprachen die drei gšttlichen
Personen das gleiche Wort wie am Anfang der Menschheitsgeschichte: ãLasset uns
einen Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis!Ò
Dieses neue Menschenkind sollte fŸr immer und in erhabenster
Weise gottebenbildlich und im Gnadenzustand sein und bleiben, nie sollte auch
nur der leiseste Hauch des Bšsen den blanken Spiegel dieser Seele trŸben, nie
sollte auch nur die geringste SŸndenschuld die Seele dieses Menschenkindes
entweihen. Das Bšse und der Bšse haben keinen Teil an diesem Menschenkind. Ganz
und gar Gottes Eigentum ist dieses liebste Kind des himmlischen Vaters vom
allerersten Augenblick an, berufen zu einer Sendung ohnegleichen: die
vielgeliebte Mutter des ewigen Wortes sollte Maria werden, dazu erwŠhlt, ihn,
den Sohn Gottes, in das makellose Gewand ihres jungfrŠulichen Fleisches zu
hŸllen; die unversehrte Braut des Hl. Geistes sollte Maria sein, mit
unaussprechlicher ZŠrtlichkeit von ihm geliebt, der die Liebe in Person
zwischen Vater und Sohn ist. Ohne SŸnde empfangen und gnadenvoll vom ersten
Augenblick an, das ist die Immaculata.
Da kšnnen wir es verstehen, dass diesem auserwŠhlten
Gnadenkind von den Eltern auch ein besonderer Name zugedacht wurde: ãUnd der
Name der Jungfrau war MARIA.Ò Biblische Namen sind ja meistens nicht
willkŸrlich gewŠhlt, sondern drŸcken oft ein ganzes Lebensprogramm und die
Summe des Lebensinhalts ihrer TrŠger aus; das stimmt dann vor allem, wenn Gott
selber den Namen gegeben hat.
Bei Maria wird uns zwar nicht ausdrŸcklich berichtet, dass
der Name von Gott selbst fŸr sie festgelegt worden wŠre, aber wir dŸrfen wohl
annehmen, dass die Eltern dieses Gnadenkindes vom Geist Gottes erleuchtet
diesen Namen fŸr ihr Kind gewŠhlt haben und es Mirjam, Maria genannt haben.
So hie§ einst die Schwester des Moses in €gypten. Und aus
dem €gyptischen dŸrfte der Name Mirjam-Maria stammen: aus dem Šgyptischen mry,
was das Participium passivum des Perfekts von der Wurzel mr=amare=lieben ist
und also ãamatus, amata, Geliebter, Geliebte bedeutet; daran hŠngten die Israeliten
damals, als sie in der Knechtschaft €gyptens schmachteten, die erste Silbe
ihres Gottesnamen Jahwe an, so dass Mirjam nichts anderes bedeutet als ãdie von
Jahwe GeliebteÒ, ãdie von Gott GeliebteÒ; der Šgyptisch-hebrŠische Name Mirjam
wŸrde demnach dem griechischen ãTheophilusÒ, dem lateinischen ãAmadeusÒ,
unserem deutschen ãGottliebÒ entsprechen, besonders in der im Flandrischen
vorkommenden weiblichen Form dafŸr: ãGodelieve.Ò
ãNomen est omenÒ, lautet ein lateinisches Sprichwort: Im
Namen liegt Vorbedeutung, er kann zum Wahrzeichen des ganzen Lebens werden. Bei
Maria war es wirklich so: Denn niemals ist ein blo§es menschliches Geschšpf so
sehr im Lichtschein der Gottesliebe gestanden und ist so sehr Ÿberflutet worden
von Gottes Liebeserweisen wie Mirjam, der Liebling Gottes: Maria. Es gab keinen
passenderen Namen fŸr dieses Gnadenkind, es gibt auch keinen schšneren
Frauennamen als diesen! Man sollte sich das wieder merken bei der Namensgebung
und Taufe eines MŠdchens!
Und wie die Seele dieses Kindes, so mag auch der Leib bei
diesem Kind wohlgeformt und schšn gewesen sein, geeignet dafŸr, spŠter einmal
in wundersamer Weise den Schmelz der JungfrŠulichkeit mit der Fruchtbarkeit
einzigartiger Mutterschaft zu verbinden. Maria war sicher rein natŸrlich schon
ein schšnes Menschenkind. Aber alles NatŸrliche in ihr war ŸbernatŸrlich
verklŠrt und Ÿberhšht.
(Seit Jahrhunderten ringt die christliche Kunst mit dem
ãMadonnenmotivÒ, und ich denke zurŸck an jene Ausstellung im Salzburger
Dommuseum 1965 unter dem Thema ãDie schšnen MadonnenÒ. Da ging es nur um eine
besondere Stilart der Mariendarstellung im 13. – 15. Jahrhundert. Was
aber die christliche Kunst in allen Jahrhunderten in der Darstellung Mariens
geleistet hat, gehšrt zu ihren herrlichsten Leistungen. Und der gro§e
Caritasapostel und Gro§stadtseelsorger Berlins, Dr. Karl Sonnenschein, hat
schon recht gehabt, wenn er in seinem kšstlichen, lŠngst vergriffenen Buch
ãMadonnenÒ (Berlin 1928) S. VII geschrieben hat: ãWelches Planetarium
leuchtender Bilder (tut sich da auf)! Immer wieder diese Eine! Die Jungfrau!
Die Mutter! Die Kšnigin! Sie schaut nieder vom byzantinischen Thron! Sie blickt
auf in den Jubel der Wolken! Sie trŠumt, das Kind auf dem Scho§ im Rosenhag!
Wie mag ich diese verschiedensten Madonnendarstellungen gern! Trotzdem sprechen
alle gro§en Meister mit dem Dichter Novalis, wenn sie vor ihren Madonnenbildern
stehen: ÒKeins vermag dich, Maria, so zu schildern, wie meine Seele dich
erblickt!Ò – Ein Bild ist mir ins Herz gegraben/, Ein Bild, so schšn und
wundermild./ Ein Sinnbild aller guten Gaben, / Es ist der Gottesmutter Bild!Ò)
In Maria hat sich die seit dem SŸndenfall und seinen Folgen
unmšglich gewordene, ganz harmonische Entfaltung echten Menschentums und
schšnsten Frauentums ohne jede Stšrung und ohne jede Einseitigkeit vollzogen.
Hier wuchs ein Mensch heran, der so ganz in Ordnung, in innerer und Šu§erer
Harmonie war und ganz dem entsprach, was der Schšpfergott mit dem Geschšpf
Mensch geplant hatte!
(Wir lassen gar oft diese Vorbildlichkeit Mariens im echt
menschlichen und echt fraulicher Wohlgeformtheit und Schšnheit allzu sehr au§er
Acht, als sei Maria wie ein Ÿberirdisches Geistwesen Ÿber die Erde gewandelt,
aber nein, Maria ist ganz Mensch gewesen in ihrer Kindheit, in ihrer Jugend, in
ihrer Reife, und ganz Mensch geblieben bei all ihrer GnadenfŸlle. Sie selbst
hat es wohl auch nicht geahnt, wie sehr das ãTota pulchra ...Ò (Ganz schšn bist
du...) auf sie zutraf.
Noch viel weniger hat sie in ihrer Kindheit und Jugend
geahnt, was fŸr eine gewaltige, einzigartige Aufgabe ihr der Schšpfergott von
Ewigkeit her zugedacht hatte, bis dann der Engel Gabriel Maria den wunderbaren
Plan des Allerhšchsten enthŸllte.)
Sehen wir uns auch noch das Heranwachsen dieses auserwŠhlten
Menschenkindes im Lebensadvent Mariens ein wenig an und achten wir dabei auf
einige ZŸge, die fŸr uns besondere Bedeutung haben kšnnten. Gewiss sagt uns die
Hl. Schrift nichts Ÿber die Kindheit Mariens, aber manches kšnnen wir dennoch
vielleicht nicht blo§ vermuten, sondern mit Sicherheit annehmen: Denken wir
etwa an die Szene, wie das Marienkind zum ersten Mal auf dem Scho§ der Mutter
Anna betet!
Wie kšnnen doch bisweilen Kleinkinder in einer guten
christlichen Familie so lieb und andŠchtig beten. Ihr Herz ist noch unentweiht
von persšnlicher SŸnde, die Taufunschuld liegt noch Ÿber ihre Seele gebreitet,
strahlt noch aus ihren Augen, leuchtet noch auf ihrem Gesichtchen. Nichts
Trennendes steht zwischen diesen Kleinkindern und dem Vater im Himmel. So gehen
sie denn, wenn sie zum Gebet fŸhr schon angeleitet werden, mit einer rŸhrenden
SelbstverstŠndlichkeit zum Vater im Himmel und sprechen im Gebet mit ihm. Maria
aber, deren Seele Ÿberreich an Gnade war und nicht blo§ in der Taufunschuld
erstrahlte, sondern im Lichtglanz unberŸhrter Makellosigkeit vom allerersten
Anfang ihrer personalen Existenz an, mit welch einzigartiger Innigkeit wird sie
die HŠndchen gefaltet, die Augen emporgerichtet und ihr ganzes kindliches Herz
dem Vater im Himmel dargeboten haben, dem jeder Pulsschlag ihres Herzens gehšrte!
Mit welch zŠrtlicher stŸrmisch frohlockender Freude und Liebe wird das Kind
Maria ihre reine Seele hineingebettet haben in die Arme des himmlischen Vaters,
dem ihre ganze Liebe galt!
Die heilige Mutter Anna hat dem Kind Maria sicher erzŠhlt
von der wunderbaren Grš§e und Herrlichkeit und Schšnheit Gottes, von seiner
unvergleichlichen GŸte und Barmherzigkeit, von seinen weisen FŸhrungen, die so
reich an Wunder aller Art waren, und von seinen tršstlichen Verhei§ungen, was
den kommenden Messias betraf. (Jes 7: ãSiehe, die Jungfrau...Ò) Wer wird das
sein? So mag das MŠdchen Maria die Mutter Anna gefragt haben, wenn man beim
Lesen in der Hl. Schrift des AT zu dieser prophetischen Stelle kam.
Gerne haben christliche Maler vergangener Jahrhunderte die
Mutter Anna mit ihrem begnadeten Kind Maria dargestellt, und zwar in der
Situation, wie die Mutter Anna ihrem Tšchterlein das Lesen an Hand der Hl.
Schrift beibringt und zwar speziell an Hand dieser prophetischen Schriftstelle
Is 7: ãEcce virgo...Ò
Und immer wieder mag das MŠdchen Maria Ÿber diese
prophetische Stelle nachgedacht haben, ohne natŸrlich zu ahnen, dass sie selbst
diese Jungfrau sein wŸrde... Aber sie nahm die Botschaft mit ihrem lauteren,
adventlich gesinnten Herzen voll Erwartung und Sehnsucht auf, wie nur ein
reines Kinderherz so etwas freudig und spontan aufnimmt, in welchem Gro§es fŸr
die Zukunft angekŸndigt wird. Und wie mšgen dann beide, Mutter und Tochter, den
adventlichen Gebetsruf glŠubiger Israeliten zum Himmel emporgeschickt haben:
ãRorate, coeli desuper...Ò¤ Ihr Himmel tauet den Gerechten, ihr Wolken, regnet
ihn herab.Ò
Wie mag dabei in Maria die adventliche Sehnsucht nach dem
verhei§enen Messias immer mehr gewachsen sein, aber auch die zuversichtliche
Hoffnung, dass Gott das Flehen der Menschheit etwa bald schon erhšrt, weil er
so unendlich gut und liebevoll ist... wenn Gott so gut ist und zu seinen
Verhei§ungen steht, wie die Mutter gesagt hat, dann gibt es fŸr mich – so
mag die jugendliche Maria gedacht haben – nichts anderes als an diesen
Gott, der gŸtig und treu in all seinen Verhei§ungen ist, zu glauben, ihm zu
vertrauen, seine Treue mit Treue zu vergelten, diesen liebenswerten Gott zu
lieben aus ganzem Herzen und mich ihm ganz zu schenken mit allem, was ich bin
und was ich habe...
Das Kind Maria wird schon in der Stunde der erwachenden
Vernunft seine schšne Seele weit aufgetan haben und dem gŸtigen Gott
entgegengejubelt haben, so wie glŸckliche Kinder ihrem guten Vater zujubeln,
wenn er nach getaner Arbeit am Abend heimkommt. Jauchzend mag es aus allen
Tiefen dieses reinen Menschenherzens herausgekommen sein: ãDu bist mein Herr
und mein Gott, du bist der Gott meines Herzens fŸr immer und ewig! Niemand
sonst soll es in Besitz nehmen kšnnen.Ò
Wenn wir mit diesem reinen Herzen der heranreifenden Jungfrau
Maria unser eigenes, armes, schwaches, oft so kaltes und laues Herz
vergleichen, so stellen wir fest: Unser Herz ist oft wie eine Kerze, die
– weil sie feucht ist – nicht recht brennen will. Bitten wir Maria
jetzt schon: JungfrŠuliche Mutter Maria, nimm unsere Herzen in deine gŸtigen
HŠnde und halte sie hinein in die Glut deines Herzens! EntzŸnde am Feuer der
Gottesliebe deines makellosen Herzens unsere Herzen.
Begleiten wir Maria noch ein StŸck weiter durch ihren
Lebensadvent: Zugegeben, die Hl. Schrift berichtet wieder nichts Ÿber die
folgenden Jahre in der Kindheit und Jugend Mariens. Aber warum sollte es nicht
doch so gewesen sein, wie eine alte †berlieferung zu berichten wei§, dass
nŠmlich die betagten Eltern Joachim und Anna ihr Kind in den Tempel brachten,
damit es dort im angeschlossenen Heim fŸr Tempeljungfrauen – als Gott
geschenkt und geweiht – heranreife und heranwachse fŸr jene gro§e
Aufgabe, von der weder die Eltern noch das Kind Maria selbst damals eine Ahnung
hatten.
Der Tempelgang Mariens: Zum ersten Mal eintreten dŸrfen in
das Haus des Herrn, in diese heilige StŠtte der besonderen Gnadengegenwart des
gro§en, herrlichen Gottes, den Fu§ Ÿber die Schwelle des Heiligtums setzten
dŸrfen, in welchem der Herr der Heerscharen sein Zelt aufgeschlagen hat!
Welcher Jubel, welche Seligkeit, welch ein Verlangen, eintreten und nun hier
weilen zu dŸrfen. Wir spŸren vielleicht viel zu wenig, was das damals fŸr einen
glŠubig frommen jungen Israeliten bedeutet haben mag, weil uns Katholiken der Herr
in jeder Kirche nahe ist... aber der glŠubige Israelit kannte als WohnstŠtte
Gottes nur den Tempel in Jerusalem. Erstmalig nach Jerusalem kommen, in den
Tempel... ãWie freute ich mich, als man mir sagte: wir ziehen hinauf in das
Haus des Herrn...Ò Vielleicht erfassen wir die Stimmung eines solchen
Menschenherzens am besten, wenn wir an die Stimmung schlichter, unverbildeter,
glŠubig-frommer Rompilger oder Heiliglandpilger denken, die zum ersten Mal in
ihrem Leben die Peterskirche in Rom, die heilig-Grabkirche in Jerusalem
betreten ... Gaudete-Stimmung im Lebensadvent Mariens mag da in ihrem
unbefleckten Herzen geherrscht haben ...
Das mag Mariens Tempelgang damals gewesen sein: eine
unsagbar gro§e Freude Ÿber die Gnadengegenwart Gottes im Tempel, ein freudiger
Austausch des kleinen Ich und des gro§en gšttlichen Du, ein Verschmelzen und Sich-versenken
in die Wesenheit des ganz anderen, unsagbar gro§en, herrlichen Gottes, dem die Schuhriemen
aufzulšsen keiner von uns wŸrdig ist. Die Stunde war nun da, wo das MŠdchen
Maria sich ganz dem Herrn zu eigen geben, ihr ganzes Sein und Leben in Gottes
HŠnde legen durfte. Gejubelt hat ihr Herz an jenem Morgen, da sie im Begriffe
stand, sich ganz und fŸr immer Gott zu weihen: ãIntroibo ad altare Die... Ich
will hintreten zum Altare Gottes, zu Gott, der mich erfreut von Jugend an...
Das MŠdchen Maria fragte sicher damals nicht lange, was
dieser ihr Entschluss der Hingabe und weihe an Gott wohl an Opfern fŸr sie
einschlie§en kšnnte; sie fragte nicht lange danach, so Ÿber alle Massen
liebenswert war ihr Gott. Die Liebe und Sorge der guten Mutter Anna wird das MŠdchen
Maria zwar nun entbehren mŸssen, aber an deren Stelle ist in ihr der gŸtige
Gott getreten: ãDer Eifer fŸr dein Haus verzehrt mich!Ò so mag sie gesprochen
haben.
Noch šfter in ihrem Leben wird Maria Šhnliche Wege wandeln,
die zur Hšhe fŸhren – dann nur nicht mehr mit solch kinderseliger Freude
wie jetzt. SpŠter werden es Wege durch Nacht und Finsternis, in schmerz und
TrŠnen sein, schwere Wege also, steile, einsame Wege, die von Blut und Schwei§
gezeichnet sein werden ... Aber von all dem wei§ Mariens sonniges KindergemŸt
heute noch nichts. Sie darf nun dem Herrn im Tempel dienen, fern der Welt und
ihren Gefahren, umhegt und behŸtet von der Gnade Gottes. Wenn Mariens
geschickte HŠnde als Tempeljungfrau sich sicher auch in der Stick- und Webkunst
Ÿbten und dabei Seide und Gold in den Dienst des Altares zwang, war Maria dabei
wohl ganz in die Geheimnisse Gottes versenkt. Immer mehr wird sie dabei dem
tiefsten aller Geheimnisse und wunder Gottes nachgesonnen haben: Der Sohn
Gottes wird Menschengestalt annehmen, wird von einer jungfrŠulichen Mutter
geboren werden, wie es der Prophet Jesaia vorhergesagt hat; dieser
menschgewordene Sohn Gottes wird dann aber, wie es in den Gottesknecht Liedern
des Propheten Jesaia hei§t, leiden und sterben aus Liebe zu den Menschen, um
fŸr sie SŸhne zu leisten... Und unter den Frauen des Volkes Israel wird es eine
geben, die dann den Schšpfer des Weltalls ihren Sohn nennen darf, die GlŸckliche,
die AuserwŠhlte, sie wird die Gebenedeite unter allen Frauen sein! Welche Ehre
und Auszeichnung mŸsste es dann doch sein, dieser jungfrŠulichen Mutter des
ewigen Wortes Gottes, des Messias dienen zu dŸrfen! So mag Maria gedacht haben.
Ja, die Fleischwerdung des ewigen Wortes Gottes, die
Menschwerdung Gottes und seine Erlšsungstat mag immer mehr zum gro§en Brennpunkt
des Betens, Betrachtens und Meditierens im Leben Mariens geworden sein.
Dass er doch komme, der Emmanuel, dass er doch
herniedersteige, der Retter! Dass er erfŸlle, was er verhei§en hat, der Ewige!
ãTauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab!Ò O dass sie doch auch
schauen dŸrfe, was die Patriarchen unter Frohlocken zu schauen ersehnten: das
Heil der Welt!
Das MŠdchen Maria wuchs weiter und reifte seelisch und
kšrperlich zur Jungfrau voll edler Schšnheit heran. Gott hatte sie sich damals
schon beim ersten Tempelgang voll und ganz geschenkt und geweiht. Alles hatte
sie damals schon dem Herrn geopfert: ihre Jugend, ihre Freiheit, ihre
Schšnheit, ihr Elternhaus, ihre Heimat und alle eigenen WŸnsche. Der
Opfergedanke hatte schon damals die Seele Mariens ganz erfŸllt.
Jetzt aber, im einsetzenden Šu§eren und inneren
Reifungsprozess mag auch in diesem MŠdchen Maria der Drang nach Liebe, der
Drang zu lieben und geliebt zu werden immer mehr erwacht sein. Freilich konnte
der Gegenstand ihrer Liebe nur das Hšchste und Schšnste und LiebenswŸrdigste
sein: Gott. Es ist der Liebe eigen, zu wachsen, zuzunehmen, um sich zu greifen,
mŠchtig und unersŠttlich wie das Feuer. Und erfinderisch ist die Liebe. Das
Opfer ist ihr liebstes Kind. Alles hatte Maria bereits dem Herrn geschenkt in
Liebe, aber allzu gering und ungenŸgend schien ihr das. Ihm ganz vermŠhlt sein,
Ihm allein, ganz zu eigen sein, auf alle irdische Liebe verzichten, Ihm gehšren
mit Seele und Leib in JungfrŠulichkeit, das wurde wohl jetzt Mariens heiliger
Entschluss...
†berfliegen wir noch ganz kurz weiter die Jugendjahre
Mariens: Die Jahre flogen wohl rasch dahin. Maria sollte nun wieder den Tempel,
die StŠtte ihrer schšnen, gottgeweihten Kinderjahre, die StŠtte ihrer
glŸckseligen Gottverbundenheit verlassen. Was nun? Voll des kindlichen
Vertrauens und mit heiliger Sorglosigkeit mag Maria den Willen des
vielgeliebten Gottes zu erfahren erwartet haben: Er wird mir den weiteren
Lebensweg, den ich einzuschlagen habe, kundtun.
Und siehe, durch den Mund des Hohenpriesters wurde ihr die
Kunde zuteil, es sei der Wille Gottes, dass sie sich vermŠhle.
Eigenartig, waren nicht ihre Gedanken so ganz weit weg von
der Verehelichung entfernt? Ehe hei§t doch fŸr ein MŠdchen, fortan einen Mann
lieben, ihm in Liebe Seele und Leib schenken, sich selbst aufgeben, um dem Mann
zu gehšren und schlie§lich in seinen
Liebesumarmungen neues Leben zu zeugen. Aber als gottgeweihte Jungfrau
ist Maria doch fŸr jeden Menschen unantastbar, unerreichbar fŸr jede irdische
Liebe?
Doch Gott hatte seinen Willen kundgetan. Gottes Wille musste
geschehen. Wenn Gott schon Mariens VermŠhlung wŸnscht, dann wird er auch damit
hohe, heilige PlŠne haben. So fŸgte sich die Jungfrau Maria in das Unfassbare.
Und sie fŸgte umso leichter hinein, als der junge Mann, der ihr bestimmt worden
war, nicht blo§ ein Stammesverwandter aus dem Hause und Geschlechte Davids,
sondern auch ein Mensch war, dem man sein volles Vertrauen restlos schenken
kann. Im †brigen wusste die Jungfrau Maria, dass der AllmŠchtige – wenn
es sein muss – auch Wunder wirken kann, um das Ihm Geschenkte und
Geweihte zu behŸten und zu bewahren. Maria zweifelte nicht daran, dass sie trotz
der Verlobung und VermŠhlung Gott weiter in JungfrŠulichkeit dienen kann. Und
als Maria Joseph sah, diesen schlichten Mann mit seiner reinen Stirne und
seinen klaren Augen, da erkannte sie, dass auch dieser Mensch bisher in
Reinheit und JungfrŠulichkeit vor Gott gewandelt war und das sicher auch
weiterhin tun wŸrde, wenn sie ihn darum bitten wŸrde.
So war es dann auch wirklich. IN die schšnen Wochen der
Verlobung hinein kam es dann zu jenem geheimnisvollen Ereignis, das uns aus dem
Lukas-Evangelium bekannt ist: ãDer Engel Gabriel ward von Gott in eine Stadt
GalilŠas namens Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem
Manne namens Joseph aus dem Hause David. Der Name der Jungfrau war Maria. Er
trat bei ihr ein und sprach: Gegr٤t seist du, Gnadenvolle, der Herr ist mir
dir!Ò Ob dieser Anrede ward sie bestŸrzt und dachte nach, was dieser Gru§ zu
bedeuten habe. – Der Engel
aber sprach zu ihr: ãFŸrchte dich nicht, Maria! Denn du hast Gnade bei Gott
gefunden. Siehe, du sollst empfangen und einen Sohn gebŠren, dem sollst du den
Namen Jesus geben. Er wird gro§ sein und Sohn des Hšchsten hei§en ... Da sprach
Maria: ã Wie soll dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?Ò Der Engel gab
ihr zur Antwort: ãDer Hl. Geist wird Ÿber dich kommen und die Kraft des
Hšchsten wird dich Ÿberschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus deinem
Scho§ hervorgeht, Sohn Gottes hei§en ... Da sprach Maria: ãSiehe, ich bin die
Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort!Ò Und das Wort ist Fleisch
geworden.
Und nun begann der kostbarste Abschnitt im Lebensadvent
Mariens: Die seligen neun Monate, da sie den menschgewordenen Sohn Gottes unter
ihrem makellosen Herzen trug ... Wie mag Maria in diesen Wochen gebetet haben,
alles bestens vorbereitet haben fŸr die Stunde der Geburt, mit banger und doch
so seliger Vorfreude dem gšttlichen Kind entgegengeharrt haben... dann aber kam
nochmals alles anders, als sie es sich ausgedacht hatte ... Der Gang nach
Bethlehem ... Die Herbergsuche ... Und schlie§lich die Geburt im Stall...
Advent Mariens! Wir kšnnten so viel daraus lernen fŸr diesen
Advent des Kirchenjahres und fŸr unseren Lebensadvent: An Gott glauben, auf
Gott vorbehaltlos vertrauen, Ihn von ganzem Herzen lieben und dann alles Ihm
Ÿberlassen. Entscheidend ist nur, dass man
in Gottes Gnade lebt und liebt und mit dem geliebten Gott die Verbindung
immer wieder herstellt im Gebet und Opfer, in der Reinheit des Herzens und in
der Unterordnung aller PlŠne und WŸnsche unter den heiligen Willen Gottes. So
hat es Maria gehalten in ihrem Advent...